305-0538_IMGDass der regelmäßige Verzehr von rotem Fleisch mit ernsthaften Erkrankungen korreliert, geht eindeutig aus Humanstudien hervor. Über die Ursachen wird indes noch gerätselt.

Kritiker dieser Studien verweisen oft darauf, dass der Verzehr von rotem Fleisch im Tierreich keine Seltenheit ist, und dass sogar bei unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, gelegentlicher Fleischkonsum keine gesundheitlichen Störungen hervorruft. Um diese Diskrepanz zu erklären, müsste es daher einen Faktor geben, der wirklich nur beim Menschen vorkommt. Und diesen gibt es tatsächlich.

In der Evolution des Menschen kam es zur Manifestation einer Mutation, bei der ein Enzym für die Synthese eines Oberflächenmoleküls humaner Zellen inaktiviert wurde. Dieses Oberflächenmolekül mit dem Namen N-Glycolylneuraminsäure, kurz Neu5Gc, kommt bei allen Säugetieren außer dem Menschen auf den Zelloberflächen weiterhin vor. Beim Menschen hingegen kommt lediglich das Vorläufermolekül N-Acetylneuraminsäure (Neu5Ac) vor.

Verzehrt der Mensch nun das Fleisch von anderen Säugetieren oder deren Milchprodukte wird Neu5Gc vom Körper aufgenommen und in die Zellen transportiert. Aufgrund seiner großen Ähnlichkeit mit Neu5Ac sind die menschlichen Zellen intrazellulär nicht in der Lage das fremde Neu5Gc vom körpereigenen Neu5Ac zu unterscheiden, so dass es auf die Zelloberfläche transportiert wird. Das sensible Immunsystem des Menschen hingegen erkennt nun den Unterschied und identifiziert Neu5Gc als artfremdes Molekül. Dies führt zur Bildung von Antikörpern gegen Neu5Gc und somit gegen die eigenen Körperzellen.

In der Folge kommt es zu einer Autoimmunreaktion, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet. Da sich Neu5Gc aus bisher ungeklärten Ursachen bevorzugt in den Wänden von Blutgefäßen anreichert, steigt insbesondere das Risiko für Gefäßerkrankungen deutlich an. Man geht davon aus, dass auch das Risiko für Krebs und andere Erkrankungen mit entzündlichem Hintergrund erhöht wird.

Quelle: Varki A. 2010. Uniquely human evolution of sialic acid genetics and biology. Proc Natl Acad SciUSA 107, Suppl 2:8939-46, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20445087